Von eherner Blockhaftigkeit und verinnerlichtem Ausdruck ist bei Holger Lippmann, dem akademisch ausgebildeten Bildhauer, nichts mehr zu spüren. In seinem digitalen Bildkosmos herrscht eine Vielzahl virtueller Muster und Zeichen, die als kurzlebige Formgebilde über Bildflächen rotieren oder strömen, die sich verlieren, überlagern, zerstören und neu konstituieren. Temporeiche Bewegung und polyphone Zusammenklänge lassen dynamische Mikrostrukturen wachsen, filigranes Gewebe entsteht und vergeht aus seriellen Mustern, aus ungezählten Linien in polychromen Netzwerken oder reduzierten grafischen Strukturen. Trotz Auflösung und dynamischem Chaos herrscht innerhalb des strukturellen Gewirrs animierter Details eine systemische Formstrenge, eine kompositionelle Ordnung, die sich im raschen Wechsel der einfachen und komplizierten Bestandteile, die sich effektiv und effektvoll ausdehnen, verändert. Er selbst spricht von fraktaler Geometrie, von iterativen oder recursiven Vorgängen, kurzum: von Malprogrammen, die er mittels spezieller Programmiersprache am Computer entwickelt. Im Fokus steht dabei die fantastische Welt der Mathematik, die ihm den Zugang zu den Geheimnissen der Natur eröffnet. So lässt er beispielsweise den Kreis als geometrische Grundform und in seiner Ambivalenz als absolute Form und kosmisches Symbol von begleitenden Formen zur Rotation bringen. Die Vielzahl der Kreise weckt unwillkürlich Assoziationen an das Universum, erinnert an Konstellationen von Gestirnen, an Planspiele und Improvisation, aber auch an Vermengung von künstlerischen und außerkünstlerischen Intentionen und Reflexen. Lippmann variiert nicht nur rationale Dynamik der digitalen Welt, er zelebriert geradezu das spezifisch Kunstartige als Ausdruck intensivierter Informations- und Kommunikationsströme. (Text: Herbert Schirmer)

Holger Lippmann, 1960 geboren in Mittweida | 1985-1990 Studium der Bildhauerei an der HfbK, Dresden/ Diplom | 1990-1992 Meisterschüler bei Professor K. Schwabe | Studium an der AK Stuttgart | 1997-1998 einjährige Ausbildung am Multimedia Institut CIMdata, Berlin | seit 2002 verschiedene Lehraufträge an der HfbK Dresden/Medienklasse